Von David Böning

Wandel des Brückenbaus

vom Mittelalter zur Renaissance

Vom Mittelalter zur Renaissance vollzog sich ein großer Wandel im Brückenbau, der erst von der Entwicklung eiserner Brücken zur Zeit der Industrialisierung übertroffen wurde. Er bestand im Übergang vom seit der Antike unveränderten Brückenbau mit Hilfe des Halbkreisbogens zur Verwendung eleganterer Bogenformen, die das Erscheinungsbild der Brücken grundlegend veränderten. Nach einer Einführung in die Bogenkunde soll dies anhand zweier Beispiele der jeweiligen Epochen deutlich gemacht werden.

Datenbankinfos zur Steinernen Brücke

Datenbankinfos zur Ponte Santa Trinita

1. Einleitung

Nach Zusammenbruch des weströmischen Reichs im 5. Jahrhundert bedingt durch die Völkerwanderungen tat sich jahrhundertelang im Bauwesen praktisch nichts.

So verfielen auch die römischen Bauten. Erst durch die ab 900 erstarkenden Städte wurde gerade die Anlage von Straßen und damit auch Brücken wieder interessant, denn – u. a. ausgelöst durch die Kreuzzüge - wurde der Handel verstärkt. Die Entwicklung großer Städte wurde durch neue Ackergeräte möglich, die den Anbau erhöhten, weshalb die Städte mitversorgt werden konnten. Das war aber wiederum nur durch entsprechende Verkehrswege möglich.

Den Bau von Brücken veranlassten zumeist die Städte und deren Kaufleute. Im Gegensatz zum römischen Reich stand also nicht der große Plan der Erschließung eines ganzen Reichs dahinter, sondern es handelte sich immer nur um kleine Schritte mit entsprechend geringer Finanzkraft, die durch Zölle verbessert wurde.

Aber nicht nur aus finanziellen Gründen brachte der mittelalterliche Brückenbau keine großen Neuerungen. Das Keilsteingewölbe war zwar noch aus römischer Zeit bekannt, nicht aber die wasserbautechnischen Fertigkeiten. So war der Beton in Vergessenheit geraten und die schwerfällige Form der Brücken resultierte aus den großen Schwierigkeiten mit der Gründung der Pfeiler. Dies wird bei der Regens-burger Brücke noch deutlich.

 

Mit der bedingt durch wirtschaftliche Erfolge immer größer werdenden Bedeutung der Städte im Spätmittelalter entstand auch der Humanismus. Der wirtschaftlichen Selbständigkeit sollte eine Selbständigkeit der Menschen folgen, indem vor allem die kirchlichen Zwänge abgeworfen und neue Menschenbilder gesucht wurden. Die von Italien ausgehende Renaissance[1] bezog sich dabei – wie der Name schon sagt – auf die Wurzeln dieses Denkens, die sich in der Antike finden. So wurden die im Mittelalter praktisch vergessenen antiken Texte wieder modern. Diese Entwicklung vollzog sich auch im Bereich des Bauwesens.

Aber auch in der Philosophie dieser Zeit wurden die antiken Ideen nicht einfach reproduziert, sondern darauf gestützt wollte man Neues entwickeln.

So hat der Italiener Leon Battista Alberti 1452 sein Buch "De re aedificatoria" veröffentlicht, dieses ist vergleichbar mit dem Werk Vitruvs in römischer Zeit, fand aber viel mehr Beachtung und wurde in zahlreiche Sprachen übersetzt. Die Erfindung des Buchdrucks tat ihr übriges. Entscheidend für den Wandel des Brückenbaus waren die aufkommenden neuen Bogenformen. Denn der Halbkreisbogen hat den Nachteil, dass bei einer Bogenspannweite von l die Höhe ½ l betragen muss. Zwar gab es auch schon vorher die ersten Segmentbogen, der Bau sehr flacher Bogen begann aber erst in der Renaissance. Hier liegt auch der Grund, warum der im Kirchenbau übliche Spitzbogen nicht im Brückenbau vorkam, er war ja noch höher. Der Vorteil flacher Bogen war eine große Spannweite bei geringer Brückenhöhe, große Spannweiten bedeuteten aber auch wenige Pfeiler, was den Flussquerschnitt weniger einengte. Unter anderem durch Leonardo da Vinci lebten die theoretischen Grundlagen wieder auf. Neben der Lehre der Proportionen kamen auch statische Überlegungen, z. B. zum Bogenschub hinzu. Viele der noch heute angewandten Gesetze und Erkenntnisse stammen bereits aus dieser Zeit.

Diese allg. Erläuterungen sollen nun anhand der beiden Beispiele vertieft werden.



2. Die Steinerne Brücke zu Regensburg



Im Mittelalter war Regensburg eine der bedeutendsten Städte Deutschlands, nicht zuletzt weil sich hier die Fernhandelsstraßen Konstantinopel – Paris/Utrecht und Venedig – Kiew kreuzten. Es existierte zwar eine Schiffbrücke, die Karl der Große hatte errichten lassen, dennoch wurde das Bedürfnis einer festen, immer benutzbaren Brücke größer, und so wurde während einer großen Trockenheit, die die Gründung der Pfeiler erleichterte, spontan im Jahre 1135 mit dem Brückenbau begonnen. Man geht davon aus, dass es grobe Risse vom Bauwerk schon gab, wo die Lage der Pfeiler festgelegt wurde. Dank einer großen Bautätigkeit in der Stadt waren genügend Fachleute vorhanden, die die Gewölbetechnik auch an noch vorhandenen römischen Bauten studiert haben. An der 336m langen Brücke mit ihren 16 Öffnungen wurde 11 Jahre lang gebaut. Sie war ursprünglich nur 5m breit. Den Spannweiten von 10 bis 17m standen 6 bis 7m breite Pfeiler gegenüber. Die Durchfahrtsöffnungen wurden aber durch sog.Beschlächte, Inseln, die man um die Pfeiler anlegte, um sie vor Unterspülung zu schützen, weiter eingeengt, dadurch wurde es wegen der starken Strömung sehr gefährlich, unter der Brücke hindurchzufahren. In diesem Zusammenhang ist es auch interessant, dass auf der Brücke aufgestellte Kreuze und Heiligenfiguren nicht nur dem Schutz der Brücke dienten, sondern auch die durch Veränderungen des Flussbettes die jeweils aktuelle Öffnung für die Schifffahrt anzeigten. Die starke Strömung konnte aber auch zum Antrieb von Mühlen genutzt werden, die man auf den Beschlächten errichtete. Die Brücke verlief nicht gradlinig, sie wurde den Umständen, z. B. den beiden Flussinseln angepasst. Die breiten Pfeiler und die sie umgebenden Beschlächte machen das Hauptproblem des mittelalterlichen Brückenbaus, die Gründung der Pfeiler, deutlich. Konnte die alte Schiffsbrücke im Verteidigungsfall einfach ausgeschwommen werden, waren für diese feste Verbindung entsprechende Anlagen vorzusehen. Von den ehemals drei Wehrtürmen existiert heute nur noch das Tor auf der Altstadtseite.

Auch galt die Brücke als Heilige Freistatt, auf ihr wurde Recht gesprochen. Wer den Brückenfrieden brach wurde

Die Brücke ist heute der größte technische Profanbau des Mittelalters in Deutschland.

Vergleicht man die Regensburger Brücke mit römischen Brücken, beispielsweise der Engelsbrücke in Rom, kommt man zu der Feststellung, dass nicht nur keine Weiterentwicklung erfolgt ist, vielmehr muss man von einem Rückschritt sprechen. In ihrer ganzen Erscheinung wirkte die Brücke volkstümlich – was sie auch durch ihre gesellschaftliche Stellung war. Es ist keine einheitliche Architektur zu erkennen. Aus den vorhandenen Mitteln wurde ein funktionstüchtiger Übergang errichtet, es handelte sich um einen reinen Zweckbau.

Dies sollte sich in der Renaissance ändern, wie die Ponte Santa Trinità in Florenz zeigt.



3. Der Ponte Santa Trinità in Florenz


In unmittelbarer Nachbarschaft zum berühmten Ponte Vecchio in Florenz überspannt diese Brücke den Arno. Der Ponte Vecchio, 1345 noch im Spätmittelalter fertiggestellt, gilt als die erste Brücke mit einem flachen Bogen, ein Pfeilverhältnis von 1 : 6,5 war bis dahin noch nicht erreicht worden. Nicht leicht, neben so starker Konkurrenz eine weitere Brücke zu errichten.

Nacjhdem das Vorgängerbauwerk durch ein Hochwasser zerstört worden war, nahm sich in den Jahren 1566-69 der "Allrounder" Bartolommeo Ammanati diesrer Aufgabe an. Er war, wie ja auch Leonardo da Vinci und Alberti, sowohl Künstler als auch Architekt und Ingenieur. Wegen seines gewagten Entwurfs musste er sich gegen die Bauherren durchsetzen. Denn mit einem Pfeilverhältnis von 1 : 7 übertraf er die benachbarte Brücke und wich erheblich vom sonst üblichen Verhältnis von 1 : 3 ab.

Aus ästhetischen Gründen wählte Ammanati eine 32m weit gespannte Mittelöffnung, während die seitlichen Felder nur 29m weit gespannt sind. Dadurch erhielt die Brücke eine leichte Ausrundung. Die sich daraus ergebenden unterschiedlich hohen Ansätze der Bogen an den Pfeilern wurden mit Ausrundungen vertuscht. Hiermit wurde erstmals im Brückenbau der sogenannte Korbbogen angewandt, dessen Name aus der korbähnlichen Form, wenn man ihn umdrehen würde, resultiert. Ammanati konstruierte ihn aus sechs Mittelpunkten. Solche geometrischen Überlegungen waren im Mittelalter undenkbar. Sie entstammten aus den neuen theoretischen Architekturschriften. Der Bogenscheitel, an dem die beiden Bogenhälften mit einem Knick zusammenstoßen, wurden von Ammanati mit Wappenschmuck verdeckt. Die Pfeiler, die an beiden Seiten spitz zulaufen, haben etwa die Breite von 1/6 der Spannweite, bei der Regensburger Brücke war es noch rund die Hälfte. Mit ihren drei Feldern ähnelte die Brücke der benachbarten. Da starke Hochwasser die Stadt heimsuchten (der Vorgänger war dadurch zerstört worden, wäre eine einzige Öffnung das beste gewesen. Dies war aber technisch noch nicht möglich. Zwei Öffnungen mit einem Pfeiler in der Mitte entsprechen nicht dem Ideal dieser Zeit. Aus diesen Überlegungen entstand dieser Entwurf. Die Pfeiler wurden innerhalb von Kofferdämmen gegründet. Dieses wurde von einem Mitarbeiter dokumentiert. Innerhalb dieser Dämme wurde bis auf festen Grund hinuntergegraben und der Pfeiler aufgemauert. Erst die deutschen Truppen 1945 konnten diese Brücke zerstören. Sie wurde aber wieder aufgebaut. Die kurze Bauzeit zeigt, dass es sich um eine durchgeplante und finanzierte Baustelle handelte, wie es auch schon einmal in der Antike der Fall war. Dieses konnte sich die in Hochblüte stehende Stadt Florenz auch leisten.

Diese Brücke ist ein Stück Architektur. Sie erfüllt natürlich ihren Zweck, ist aber auch Zierde im Florentiner Stadtbild. Bonatz und Leonhardt schreiben in ihrem Brückenbuch: "Flache Bogen, am Übergang zum Pfeiler gerundet (Korbbogen), zierlich, ja anmutig profiliert und geschmückt, wie ein barockes Möbelstück."[2]

Wie auch im Kirchenbau sind im Brückenbau in Deutschland nur wenige Zeugen aus der Renaissancezeit erhalten geblieben. Die bedeutendste Brücke dieser Zeit ist die Fleischerbrücke in Nürnberg, fertiggestellt 1602, mit einem flach gespannten Segmentbogen.

In den nächsten Jahrhunderten tat sich nun auch nicht mehr viel. Die Pfeiler wurden schlanker, was z. B. Perronets Brücke über die Seine bei Neuilly zeigt.


4. Zusammenfassung


Diese Gegenüberstellung lässt die Fortschritte deutlich werden. Fundiert auf Theorien der heute noch bekannten Forscher, die vornehmlich aus Italien kommen (aber auch Dürer gehört dazu) eröffneten sich neue Welten, auf denen die gesamte Neuzeit aufbaute. Dabei wird immer wieder folgendes deutlich:

"Tempel und Brücken gehören zu den eindrucksvollsten Bekundungen der Menschheit. Tempel zeugen von der Macht des Göttlichen im Glauben der Menschheit; Brücken zeugen von der Tatkraft der Menschen im Drang zu ihren Zielen. Beide sind Symbole. In beiden spiegelt sich die Geschichte der Menschheit, Aufstiege über viele Stufen, Abstieg oder Zerfall, kirchliche oder weltliche Macht."[3]  


Literatur

Bonatz, Paul, Leonhardt, Fritz : Brücken. aus der Reihe Die blauen Bücher. Königstein im Taunus 1960.

 

Heinrich, Bert: Brücken. Vom Balken zum Bogen. Reinbek bei Hamburg 1983

 

Leonhardt, Fritz: Brücken. Ästhetik und Gestaltung. Stuttgart 1982  


[1] Renaissance (lat.-frz.) Wiedergeburt

[2] Bonatz, Leonhardt, S. 49

[3] Bonatz, Leonhardt, S. 3